Donnerstag, 22. August 2013

Viertel nach 05: Stuttgart - Leverkusen

Schön, wenn nervenaufreibende Spiele zu den eigenen Gunsten enden. Wie oft mussten wir in den vergangenen Jahren in den Schlussminuten zittern, um uns doch noch einen Gegentreffer zu fangen? Gefühlt glich Werder Bremen fast jedes Spiel gegen uns immer noch kurz vor Schluss durch einen Mertesacker-Treffer aus: Per Kopf, per Fuß, Per Mertesacker. Aber Bremen hat keinen Merte mehr - und Stuttgart erst recht nicht. So waren die Schwaben in der zweiten Halbzeit zwar sehr um den Ausgleich bemüht, doch ernsthaft gefährlich wurde es dann glücklicherweise doch nicht.

Auffällig war besonders Stuttgarts linke Seite. Nach einer Stunde Spielzeit hätte sich Bayer auch langsam darauf einstellen können, dass Traoré wirklich immer frei stand und den Ball auch bekam. Aber Donati agierte zu zurückhaltend. Anstatt Traoré den Ball annehmen zu lassen und dann erst in den Zweikampf zu gehen, hätte ich mir gewünscht, dass die Zuspiele gar nicht erst zugelassen werden. Zwischen beiden entwickelte sich ein hitziges Duell und Traoré hätte locker vom Platz fliegen müssen, aber mir wurde er dann doch deutlich zu wenig bewacht. Aktuell ist es kaum auszudenken, wie sich Donati gegen Ribéry anstellen würde. Vielleicht darf gegen Gladbach Roberto Hilbert antreten.

Was mich außerdem seit Anfang des Jahres stört, ist die Spieleröffnung nach einem Torwartabstoß. Seit der Rückrunde 2013 bevorzugt Hyypiä offensichtlich den kurzen Pass von Leno auf einen Innenverteidiger, der sich am Rand des Sechzehners positioniert hat. Das mag gegen defensiv aufgestellte Gegner für einen kontrollierten Spielaufbau sorgen, bringt die Abwehr aber viel zu häufig unter einen enormen Druck. Gerade Toprak fühlte sich in solch einer Situation viel zu oft von den gegnerischen Stürmern bedrängt, sodass er den Ball nicht zu 100% kontrolliert nach vorne schlagen musste. Das ist unnötig, zumal es doch eine Alternative gibt, die bis Ende 2012 hervorragend funktionierte: Lenos langer Ball nach vorne, wo sich Kießling im Kopfballduell so gut wie immer durchsetzt und den Ball in Richtung Mittelkreis ablegt. Diese Variante würde ich mir wieder häufiger wünschen.

Anzumerken ist auch, dass Hyypiä ein ähnliches Gefühl für Auswechslungen hat, wie die Fans. Auch er erkannte gegen Stuttgart einen blassen Son, folglich ersetzte Hegeler diesen. Bender musste zwar nur aus gesundheitlichen Gründen in der Kabine bleiben, aber Rolfes machte an seiner Stelle meiner Meinung nach ein starkes Spiel. Auch die Flaute in der Offensive wurde von Hyypiä erkannt. Die defensive Absicherung durch Wollscheid ist nachzuvollziehen, denn an eine Wiederbelebung des Sturms war in den Schlussminuten nicht mehr zu denken. Das liegt auch an einer schlagkräftigen Kießling-Alternative, an der die Geschäftsführung aber wohl fleißig arbeitet. Gerüchten zu Folge - jetzt wird's interessant - soll kein geringerer als Kevin Kuranyi heute einen Medizincheck bei Bayer absolvieren. Ob da was dran ist, weiß keiner so genau, aber ich halte den Wechsel absolut für möglich. Kuranyi würde in unser Anforderungsprofil passen und wäre mehr als nur ein Backup für Kieß. Auch menschlich halte ich ihn für gereift und passend. Nicht zu vergessen ist aber, dass Kuranyi bei einem Wechsel auf sein großzügiges Gehalt verzichten müsste. Ich bin sehr gespannt, ob sich heute oder morgen etwas tut. Als abschließendes Zitat passt der Kommentar von TM-User "Fee_Dee" perfekt: "Somit hätten wir auf jeden Fall zwei Stürmer, die sich auf Länderspielreisen definitiv nicht verletzten können."

Donnerstag, 8. August 2013

Ich Can's kaum abwarten

Erstmal verpasse ich mir für die Überschrift selbst einen blauen Fleck. Aber ich muss auch gestehen: Ich bin ein wenig stolz auf mich. Es ist nämlich eine nicht zu unterschätzende Leistung, durch die diesjährige Sommerpause gekommen zu sein, und gefühlte 500 Rückblick-Specials zu 50 Jahren Bundesliga gekonnt zu ignorieren. Aber das ist bald vorbei. Schon morgen beginnt die 51. Saison und dann is' nämlich nix mehr mit Jubiläum. Zumindest fiebere ich nur noch Samstagnachmittag entgegen. Es folgt meine optimistische, aber hoffentlich nicht zu verklärte Sicht zu den Dingen.

Auftakt gegen Freiburg: Ich freue mich wahnsinnig auf die neuen Tribünen, die die Nordkurven-Atmosphäre hoffentlich auch in die anderen Blocks tragen werden. In meinem Kopf ist das erste Heimspiel immer mit strahlendem Sonnenschein verbunden und laut Wetterbericht sieht es zumindest nicht nach Regen aus. Das Spiel wird schnell und unterhaltsam, auch von Freiburger Seite. Letztendlich wird das 2:0 für Leverkusen aber nicht gefährdet sein. Nach Abpfiff wird das Ergebnis auf der Leverkusener Bierbörse gefeiert oder, wenn es dann doch nicht ganz so glatt lief, vergessen gemacht. Von einer Niederlage würde ich mir zumindest nicht das Wochenende versauen lassen, denn auch aus dem letztjährigen Auftaktspiel in Frankfurt konnte man Positives mitnehmen.

Pokalspiel gegen Lippstadt: Hier sind natürlich besonders zwei Namen hervorzuheben: Sidney Sam und Heung-Min Son. Sam wirbelte besonders in der ersten Halbzeit und war immer einen Tick zu flink für die Regionalligisten. Was mich bisher immer an seiner Spielweise störte waren seine Abspiele. Nicht, dass er nicht mannschaftsdienlich spielte. Er passte ja. Aber eben meist zu spät. Großchancen wurden so ausgelassen, Konter verlangsamt, Ballverluste eingeleitet. Gegen Lippstadt sah das ganz anders aus, da machte er beinahe alles richtig. Wenn er diese Leistung auch konstant in der Bundesliga abrufen kann, sehe ich ihn auf dem rechten Flügel gesetzt. Als er als Ziel die WM 2014 aussprach, musste ich dennoch kurz auflachen. Ich bin kein Freund Sams, aber vielleicht wird das ja doch noch was mit uns. Bessere Standards als Castro scheint er ja zu schießen, auch wenn das Freistoßtor doch mehr als schmeichelhaft war.
Einen wahnsinnig guten Eindruck hat Son auf mich hinterlassen. Hegeler blieb in der ersten Hälfte überraschend blass, obwohl er meiner Meinung nach das Potenzial hat, die Lippstädter Abwehr auch mal alleine auseinanderzunehmen. Mit Son kam die Abwehr dann tatsächlich nicht klar. Einige sagen, er würde einfach aus jeder Position schießen. Für mich war jedoch jeder einzelne seiner Schüsse gerechtfertigt und strahlte Torgefahr aus. Und wenn die Schussposition nicht ideal war, gab er eben ab. Er suchte Doppelpässe, beschlagnahmte die linke Seite für sich und hat eine enge, schön anzusehende Ballführung. Die Leistung sollte ihm den Startplatz für Samstag gesichert haben. Ich bin begeistert und hoffe, nicht alsbald enttäuscht zu werden.
Ebenfalls überzeugend fand ich Donati und Spahic. Der eine bekam vor Hilbert den Vorzug und wird diesen nach seiner Leistung wahrscheinlich auch am Samstag wieder bekommen. War defensiv nicht überfordert und konnte sich deshalb immer wieder in die Offensive einschalten. Hilbert konnte nach seiner Einwechslung leider keine Akzente setzen, wird aber sicher auch noch seine Spielzeit bekommen. Spahic wirkte extrem abgeklärt und ruhig, traute sich in Hälfte zwei sogar bis nach ganz vorne. Ich würde ihn gerne in der Startelf sehen, allerdings bevorzuge ich Wollscheid als Partner. Den unschönen Patzer vor dem Gegentor verzeihe ich Toprak trotzdem. Links war von Boenisch nicht viel zu sehen. Das Duell zwischen ihm und Stafylidis ist sicher noch nicht vorbei.

Emre Can: In einem Satz: Kurzfristig nicht notwendig, aber langfristig ein starker Transfer. Wenn Bedarf besteht, dann sicher im Sturm, denn wenn Kießling ausfällt, ist da nur Milik. Und dem ist man verständlicherweise noch skeptisch gegenüber. Ich halte Can für einen hochtalentierten Spieler, aber er ist nicht nur eine Verstärkung, sondern auch ein Konkurrent. Lassen wir Reinartz mal außen vor, denn der ist meiner Einschätzung nach gesetzt, streiten sich mit Bender, Rolfes, Castro und Can nun vier Spieler um zwei Positionen. Auch Öztunali, der in der Vorbereitung zu überzeugen wusste, soll Chancen auf ein paar Einsätze gehabt haben, die sich durch den Transfer Cans aber bestimmt nicht verbessert haben. Durch die Belastungen der Champions League werden sicher alle ihre Einsatzzeiten bekommen, aber es ist dennoch schade, einen Castro vermutlich vorerst auf der Bank sehen zu müssen. Der ist ohnehin angefressen.

Und sonst so, Sebastian? 
  • Nicht nur Köln hat man die Punkte geklaut, sondern auch André "Schurrle". Der macht inzwischen solche Tore für den neuen Verein. 
  • Mit der Deutschen Knochenmarkspenderdatei hat man für die ersten Spieltage einen Trikotpartner gefunden. Auch im September soll ein Charity-Projekt beworben werden, etwas langfristiges hat man indes immer noch nicht gefunden. Die Ansprüche von Bayer (Nachhaltigkeit, Identifikation, Philosophie) sind lobenswert, aber als Außenstehender fragt man sich doch, wie schwer es für einen Champions-League-Teilnehmer sein kann, einen vernünftigen Sponsor zu finden. 
  • Mit der Suche zögert man übrigens auch die Trikot-Verkäufe hinaus, wodurch Bayer eine nicht unerhebliche Summe durch die Lappen geht.
  • Derweil bleibt die Frage offen, wen ich mir überhaupt auf das neue Trikot drucken lassen sollte. Wieder einen Abwehrrecken? Spahic scheint da genau der richtige Mann. Der vergangene Samstag ließ mich dann zu Heung-Min Son tendieren. Aber der trägt die Rückennummer sieben. Und die Sieben mag ich nicht.

Mittwoch, 24. Juli 2013

Rumkaspern

Ich hab' Bock auf Bundesliga. Freue mich wie mein Leibgericht: Schnitzel. Ich will ins Stadion, die neue Mannschaft spielen sehen, das neue Trikot tragen, wenn es dann endlich einen Aufdruck erhalten sollte. Aber ich muss warten. Selbst bei 40° in der prallen Sonne kann ich nicht anders, als mich immer wieder durch die Sportportale dieser Welt zu klicken und auf den großen Transfercoup zu hoffen. Da gibt es nur die eine Sache, die das Warten trübt: Transferphasen in Leverkusen machen keinen Spaß.

Das liegt nicht an den Spielern. Mit den bisherigen Transfers bin ich zufrieden. Durch die Vereinsbrille gesehen sieht die bevorstehende Saison rosig aus. Son durfte bereits vor Monaten auf meiner Playstation zu uns wechseln und in meinem Kopf ist er bereits der Überflieger der Saison 2013/14. Auch die anderen Positionen sehe ich aktuell recht ordentlich besetzt. Wie gesagt: Das ist es nicht. Wechselphasen bei Bayer machen deshalb keinen Spaß, weil die Erfolgserlebnisse fehlen. Es gibt nicht das freudige Erwarten eines in der Schwebe stehenden Transfers. Es gibt keine heißen Gerüchte, die sich am Ende bewahrheiten. Allein mit Son verpflichtete man einen Spieler, der Wochen zuvor schon mit dem Verein in Verbindung gebracht wurde. Alle anderen waren plötzlich einfach da. Ob Spahic, Palop oder Hilbert. Was fällt der Geschäftsführung eigentlich ein, mir die mittäglichen Streitigkeiten über bevorstehende Transfers einfach vorzuenthalten? Ich will vorher schon über die Vor- und Nachteile eines Roberto Hilbert diskutieren, nicht erst, wenn er dann da ist. 

Na gut, das war übertrieben, eigennützig und dumm von mir. Selbstverständlich ist es lobenswert, dass der Verein nicht nur mich, sondern die ganze Presse mit neuen Spielern überrascht. Es muss ja nicht alles öffentlich gehandhabt werden. Könnte man meinen. Aber dann gibt es da eben doch zahlreiche Gegenbeispiele, die dieser Philosophie widersprechen. Die komplette Transferphase ist von Meldungen durchzogen, die im Kern eines besagen: "XY wechselt NICHT nach Leverkusen." Es gab nämlich Gerüchte, jede Menge sogar. Aubameyang, Sokratis, Alderweireld und zuletzt Eriksen. Die ersten beiden hat man sich öffentlich von Dortmund wegschnappen lassen. Das Interesse an Eriksen wurde sogar erst bekannt, nachdem dieser bereits abgesagt hatte. Was soll denn das? Ist das Absicht? Könnte ja sein, dass all das als Ablenkungsmanöver zu verstehen ist. Interesse an irgendwelchen Spielern bekunden, um dann still und heimlich andere zu verpflichten. Aber trotzdem bleibt dabei das blöde Gefühl, dass sich der Verein damit ganz schön lächerlich macht.

Für die nächsten Wochen hat Rudi Völler immerhin einen finalen Neuzugang angekündigt. Das könnte durchaus ein "großer" Transfer sein, meint er. Könnte aber auch ein Perspektivspieler sein, schob er nach. Könnte aber auch ein Bambini-Kicker für die WM 2030 sein, heißt es dann in drei Tagen. Aus der Eriksen-Affäre zieht der hoffnungsvolle Fan zumindest die Information, dass man sich ausnahmsweise um einen international angesehenen Profi bemüht hat. Auch ich hoffe und warte jetzt weiter. Und dann wird man doch wieder enttäuscht, weil es sich letztendlich um ein oder zwei junge Talente handelt, die froh sind, bei Bayer unterkommen zu dürfen, und natürlich nehme ich sie trotzdem herzlich und voller Erwartung bei uns auf. Nicht zu vergessen, dass Völler und Holzhäuser den verletzten Bellarabi als gefühlten Neuzugang ankündigen werden. Das hat nämlich auch schon sowas wie Tradition.

Apropos lächerlich machen. Stefan Reinartz sprach es kürzlich noch an: Bayer hat ein Image-Problem. Nicht, dass wir ein schlechtes hätten. Wir haben einfach kein gefestigtes. In einer Zusammenarbeit mit einer Düsseldorfer Agentur will man nun das Projekt "Werkself 2.0" starten. Wenn ich mich nicht täusche, ist diese Agentur auch für die dämlichen Briefe aus dem April verantwortlich. Mit "Belohnungen" und Gewinnspielen versuchte man die Dauerkartenbesitzer (deren Besuch doch eigentlich vorausgesetzt werden sollte) ins Stadion zum Spiel gegen Wolfsburg zu locken. Das war peinliche Bettelei, die ebenfalls den Weg an die Öffentlichkeit gefunden hat. Das macht den Verein nicht sympathischer. Aus Trotz hätte man dem Spiel kollektiv fern bleiben sollen.

Mein Appell: Weniger komischen Quatsch machen. So schwer kann das doch nicht sein, nicht dauernd direkt oder indirekt in den Medien rumzukaspern. Ich setze mich jetzt wieder vor den Transferticker und aktualisiere minütlich.

Sonntag, 30. Juni 2013

5 Thesen am Pranger

Man glaubt es kaum: ich habe mir tatsächlich gerade den Swiffer geschnappt und die dicke Staubschicht auf dem Login-Button weggewischt. Eigentlich sollte hier ja regelmäßig etwas los sein. Da darf man ruhig mit mir schimpfen. Aber der ein oder andere kennt das wahrscheinlich: Je länger man nichts schreibt, desto größer ist die Hemmschwelle, es wieder zu tun. Jetzt habe ich mich endlich überwunden und gebe ein Lebenszeichen ab. Aber wo steige ich ein? Für einen Saisonrückblick ist es ein wenig spät. Mental bin ich schon ganz auf die neue Saison eingestellt und wohne geistig quasi auf den Dächern des Transfermarkts, voller Spannung und Vorfreude auf 2013/2014. Am einfachsten ist es wohl, mich erstmal meinen eigenen Prognosen für die abgelaufene Saison zu stellen. Zwar hatte ich mich damit gar nicht all zu sehr aus dem Fenster gelehnt, aber ganz so selbstverständlich schienen die Thesen dann doch nicht gewesen zu sein. Wir erinnern uns:


1. Kießling trifft noch häufiger als letzte Saison.
Mit einem nicht ganz reinen Hattrick am letzten Spieltag gegen Nürnberg schloss Kieß die Saison 2012/2013 mit starken 16 Toren ab. Gerade in der Rückrunde drehte er ordentlich auf, ganze 13 Treffer gelangen ihm dort. Unter Jupp Heynckes schnupperte er sogar mal an der Torjägerkanone, aber ganz sollte es nicht reichen. Allgemein wurde Kießlings Torinstinkt trotzdem unterschätzt. Kießling ist immer dann am besten, wenn er Selbstbewusstsein tankt. Mit der These spekulierte ich darauf, dass er den Schwung aus der vorigen Saison mitnimmt. Und wie er das tat! 25 Tore waren am Ende auf seinem Konto - Torschützenkönig! Vereinsrekord! Mehr muss man dazu nicht sagen. Ich verneige mich.

2. Leverkusen schießt kein direktes Freistoßtor.
Es ist sehr traurig, aber mit dieser These war ich mir tatsächlich am sichersten. Wie schon hier angemerkt, fehlt Bayer seit Jahren ein vernünftiger Freistoß-Schütze. Das muss kein Gott sein, der wöchentlich Bälle in den Winkel zirkelt, nur jemand, der für 2-3 Treffer pro Saison gut ist. Gonzalo Castro merkte im BayArena-Magazin kürzlich an, dass die Kritik ungerechtfertigt sei. Aber solch eine Schwachstelle, die über Jahre anhält, darf doch nun wirklich bemängelt werden. Gerade in dieser Saison provozierte man wahnsinnig viele Freistöße rund um den 16er. Eine Schande, dass diese Chancen ungenutzt blieben. Nicht ein Freistoß landete ohne Umwege im Netz. Nur ein Mal war die These kurz am Wackeln: Im Rückrundenspiel gegen Schalke flog ein Kadlec-Freistoß in Zeitlupe an Gegenspielern und Torwart vorbei. Geplant? Nein. Als Torschütze wurde dann Kießling gelistet, der noch rechtzeitig eine Locke in die Flugbahn hielt. These bestätigt. Ebenfalls bezeichnend: Mit Kadlec und Schürrle verlassen uns zwei potentielle (wenn auch nicht gerade erfolgreiche) Freistoßschützen.

3. Wieder mehr als 40 Gegentore.
Knappes Ding. 39 Gegentore waren es am Ende, die zweitwenigsten der Liga. Sehr gewagt war die Prognose nicht, denn richtig stabil stand unsere Verteidigung die letzten Jahre selten. Mit Wollscheid wurde die Innenverteidigung verstärkt, aber gerade in der Rückrunde verließ ihn leider einige Male die Konzentration. Zudem schwamm das Team häufiger, wenn das Duo Wollscheid/Toprak durch Verletzungen oder Sperren auseinandergerissen wurde. Wie es letztendlich bei 39 Gegentreffern blieb, ist gar nicht einfach zu erklären. Scheinbar konnten die offensiven Außenverteidiger durch den zurückfallenden Mittelfeldspieler gut kompensiert werden. Ich bin gespannt, wie Spahic der Mannschaft mit seiner Erfahrung noch weiter helfen kann.

4. Europa League: Viertelfinale.
Das war leider nichts. Die Gruppenphase überstand man immerhin noch recht problemlos. Die Liga schien dem Trainerduo dann aber doch etwas wichtiger zu sein, denn im letzten Gruppenspiel um Platz eins lief fast nur der Nachwuchs für Bayer auf. Dem späteren Finalisten Benfica Lissabon hätte man andernfalls zumindest vorerst aus dem Weg gehen können. Gegen Benfica spielte Bayer über weite Strecken auf Augenhöhe, doch in Sachen Effektivität konnte Leverkusen von den Portugiesen lernen. Die widerum verlernten diese Effektivität dummerweise gerade gegen Chelsea wieder.

5. In München reicht's für einen Punkt.
Eines der Spiele der Saison, nicht nur für Leverkusener. Bayer konnte die Münchener als einziges Team bezwingen. Die Art und Weise darf zwar in Frage gestellt werden, doch am Ende standen nicht nur einer, sondern sogar drei Punkte auf der haben-Seite. Nach 500 Jahren endlich mal wieder. Zwei waschechte Kacktore machten den Sieg klar - anders konnte es auch gar nicht gelingen. In der BayArena hatte man die Münchener dann wieder am Rande eines Punktverlustes. Dass es vor heimischem Publikum nicht ganz gereicht hat, war angesichts des Hinrundenspiels zu verkraften. Hier war man einfach nur froh, endlich einmal nicht die Unterhose von den Münchenern in die Kimme gezogen bekommen zu haben.


Damit wäre ich dann erstmal durch. Fazit: drei von fünf Thesen bestätigten sich. Für die kommende Saison gehe ich die Prognosen vielleicht sogar noch etwas optimistischer an. Schließlich spielt man jetzt Champions Leage. Think big! Oder bleibt am Boden, ist vielleicht besser. Die Pause bis zum nächsten Post dürfte zumindest diesmal keine drei Monate dauern.

Sonntag, 24. März 2013

Fußball gucken - eine Anleitung

Video games do a thing that no other industry does. You can not be bad at watching a movie. You can not be bad at listening to an album. But you can be bad at playing a video game. And the video game will punish you and deny you access to the rest of the video game.
Diese Weisheit stammt von Dara Ó Briain, einem irischen Comedian und Moderator. Da hat er recht, dachte ich mir, aber irgendwie auch nicht so ganz. Vor dem Länderspiel am Freitag witzelte ein Freund nämlich noch höhnisch: "Wer Länderspiele guckt, würde auch erneut in Russland einmarschieren." Damit wollte er keine unnötige Diskussion um Patriotismus und Nationalismus anzetteln, sondern viel mehr seinem Unmut über ein Phänomen Luft geben, das seit 2006 in der heutigen Form besteht: Dem sogenannten Eventfan. Da ich persönlich die Daseinsberechtigung dieser Fankultur nicht absprechen will, folgt an dieser Stelle Gott sei Dank auch keine Streiterei um das Thema. Welche Frage ich jedoch häufig stellen will, wenn ich mit Fußballlaien umgeben bin, ist eine, die den Bezug zu Ó Briain wiederherstellt:
Fußball gucken? Kannst du das überhaupt?

Meiner Meinung nach kann man nämlich sehr wohl schlecht darin sein, ein Fußballspiel zu verfolgen. Es geht mir gar nicht mal darum, ein Spiel vernünftig lesen zu können. Auch wenn ein Zuschauer die Regeln nicht beherrscht, kann er noch immer eine gute Figur in der hohen Kunst des Fußball Guckens abgeben. Für den Anfänger gilt lediglich: Nicht unvorbereitet in das Spiel gehen. Damit man es sich in der gemütlichen Runde vor dem Fernseher nicht verscherzt, sind folgende Grundsätze zu beachten.


Wähle dein Team.
Nichts ist langweiliger als ein neutraler Zuschauer. Denn mit Neutralität geht meist auch Objektivität einher. "Vereinsbrille" ist das Stichwort. Bei grenzwertigen Entscheidungen des Schiedsrichters darf nicht lange gezögert werden. Entweder du bist auf der einen Seite, oder auf der anderen. Ein Handspiel des eigenen Verteidigers war natürlich "nie im Leben" eines. Die gleiche Szene auf der anderen Seite sieht ganz anders aus. "Pure Absicht, dieser Drecksack!", darfst du dann gerne verkünden. Auch wenn du als Supporter einer Mannschaft gnadenlos in der Unterzahl bist, bleibt dir am Ende zumindest das gute Gefühl, dich mit der Bösen Seite der Macht angelegt zu haben.

Erfinde Rituale.
Du und nur du bist verantwortlich für den Sieg oder die Niederlage deiner Mannschaft. Lief es mal nicht so rund, kann das nur daran liegen, dass dein Trikot oder Schal ausgerechnet jetzt in der Wäsche ist. Wenn sich die Konstellation der Fans vor dem Fernseher ändert, muss sich der Neue erst durch eine gute Siegquote in den gesehenen Spielen beweisen. Ein, zwei kühle Bier vor dem Anpfiff sind zwar nicht wirklich notwendig, können aber unter dem Vorwand des Rituals beibehalten werden.

Die eigene Mannschaft/Spieler XY spielt schlecht.
Hier gibt es gleich mehrere Möglichkeiten. Die einfache, aber auch ungern gesehene Vorgehensweise ist das Runtermachen der eigenen Mannschaft. Hierbei muss gnadenlos übertrieben werden. Spielt ein Spieler seinen zweiten Fehlpass in der Partie, MUSS verkündet werden, dass dieser sich bereits seinen achten Fehlpass geleistet hat. Ohnehin hilft es ungemein sich auf ein bis drei Spieler zu versteifen, denen die ganze Misere anzuheften ist. Früher sagte man noch "Den hätte meine Oma besser gemacht", heute darf man sich selbst gerne auf den Platz wünschen. Schließlich war die eigene Leistung in der Soccerhalle vergangene Woche dermaßen over the top, dass ein Einsatz in der Profimannschaft nur noch eine Frage der Zeit ist. Außerdem muss die jahrelange Vereinstreue doch irgendwann belohnt werden.
Die zweite und angenehmere Möglichkeit ist das Retten in absoluten Sarkasmus. Dieser darf bei einem Fußballspiel ohnehin keinesfalls fehlen. Alle Attribute werden sprachlich umgedreht. Der langsame Innenverteidiger wird als "pfeilschnell" gelobt, der unbewegliche Mittelfeldspieler wird spontan zur "Katze vom Rhein" und der stolpernde Stürmer ist sowieso ein "Zauberer".

Die eigene Mannschaft kassiert ein Tor.
Fies, aber gerne benutzt ist die Floskel "Der Wiese hätte den gehalten". Anstatt sich auf die Fehler der eigenen Mannschaft zu konzentrieren, kann aber auch der Gegner diffamiert werden. Den Kopfball konnte der Spieler nur dank seiner überaus schönen Frisur so aufs Tor drücken. Boateng und Aogo dagegen sind diese Saison einfach nur ausgerutscht. Die können doch niemals mit Absicht getroffen haben.

Die eigene Mannschaft schießt ein Tor. Der Schütze ist der eben noch verspottete Spieler XY.
Hier gibt es nur eine Möglichkeit: "Ich hab's immer gesagt!" ist die einzig vernünftige Reaktion auf ein solches Szenario. Egal wie viele Wochen und Monate der Spieler nun schon Dreck zusammenspielt - für den Moment ist er der Held und darf gefeiert werden. Sogar von der Nationalmannschaft wird vor dem TV geredet, denn mit 35 ist der Stürmer doch im besten Fußballeralter. Fünf Minuten später ist übrigens alles wieder vergessen.

Spiele den Fachmann.
"Weiß nicht" gibt's nicht. Auf jede Frage muss geantwortet werden. Wenn die eigene Kompetenz nicht ausreicht, erfinde einfach irgendetwas. Warum der Trainer denn jetzt Richtung Tribüne geht? "Ach, der holt sich nur eben 'ne Stadionwurst." Bonuspunkte gibt es insbesondere, wenn der Wortlaut des Kommentators korrekt antizipiert wird. Werde dein Halbwissen so schnell es geht los. Wenn der Kommentator im TV deine Information dann "nachplappert", hast du den Respekt deiner Mitmenschen für wenige Sekunden sicher.